Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen
Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis
Stand: 08. März 2007
Empfehlungen
der Bundesärztekammer und der Zentralen Ethikkommission bei der
Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und
Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis [PDF]
Vorwort
Ärztinnen und Ärzte erleben in ihrer täglichen Arbeit die Sorgen und
Nöte schwer kranker und sterbenskranker Menschen und müssen in
schwierigen Beratungssituationen Antworten auf existenzielle Fragen
ihrer Patienten geben.
Für den Fall, dass sich Patienten selbst krankheitsbedingt nicht
mehr adäquat mitteilen können, gibt es verschiedene Möglichkeiten der
Vorausbestimmung der dann gewünschten medizinischen Behandlung. In
Anerkennung des Rechts eines jeden Menschen auf Selbstbestimmung hat
die Bundesärztekammer bereits 2004 in den "Grundsätzen zur ärztlichen
Sterbebegleitung" die Bedeutung vorsorglicher Willenserklärungen
hervorgehoben.
Die Vielfalt möglicher Situationen, in die ein Mensch geraten kann,
macht es jedoch nicht immer leicht, eine Vorausbestimmung treffend zu
artikulieren. Zwei Möglichkeiten der vorsorglichen Willensbekundungen
sind die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung.
Angesichts des offenkundigen Bedarfs sowohl von Seiten der
betroffenen Patienten als auch von Seiten der Ärzteschaft an einer
praktischen Hilfestellung und weitergehenden Konkretisierung für die
ärztliche Praxis haben es sich die Bundesärztekammer und die Zentrale
Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zur Aufgabe gemacht, durch
gemeinsame Empfehlungen den Beteiligten eine Orientierung im Umgang mit
Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu geben. Insbesondere
sollen damit Nutzen und Grenzen dieser beiden Instrumente verdeutlicht
werden.
Die Empfehlungen sind zudem im Kontext der aktuellen politischen
Debatte über eine gesetzliche Regelung zu Patientenverfügungen zu
sehen. Die Bundesärztekammer und die Zentrale Ethikkommission wollen
ihre Auffassung in den aktuellen Prozess der politischen Willensbildung
einbringen und die Position der verfassten Ärzteschaft in Bezug auf die
aufgeworfenen Fragestellungen verdeutlichen. Zugleich stellen die
Empfehlungen eine Weiterentwicklung der "Handreichungen für Ärzte zum
Umgang mit Patientenverfügungen" aus dem Jahr 1999 dar.
Die gemeinsamen Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen
Ethikkommission mögen Patienten und Ärzten eine Hilfestellung bei der
Bewältigung der vielfältigen und schwierigen Fragen im Zusammenhang mit
dem Lebensende und dem Wunsch nach einem menschenwürdigen Sterben geben.
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe
Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages
| Prof. Dr. med. Dr. phil. Urban Wiesing
Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission
bei der Bundesärztekammer
|
Vorbemerkungen
Die Grundsätze der Bundesärztekammer enthalten wesentliche Aussagen zur ärztlichen Sterbebegleitung [1].
Die vorliegenden Empfehlungen knüpfen daran an; sie stellen die
Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung in den Mittelpunkt der
Betrachtungen.
Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und
unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der
Patienten [2],
insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen (§ 7 Abs. 1
(Muster-)Berufsordnung). Der in einer Patientenverfügung geäußerte
Wille des Patienten ist grundsätzlich verbindlich, deshalb dürfen sich
Ärzte nicht über die in einer Patientenverfügung enthaltenen
Willensäußerungen hinwegsetzen.
Die umfangreichen Möglichkeiten der modernen Medizin und die
unterschiedlichen Wertorientierungen der Patienten lassen es sinnvoll
erscheinen, sich vorsorglich für den Fall des Verlustes der
Einwilligungsfähigkeit zu der dann gewünschten Behandlung zu erklären.
Besonders ältere Personen und Patienten mit prognostisch ungünstigen
Leiden sollen ermutigt werden, die künftige medizinische Versorgung mit
dem Arzt ihres Vertrauens zu besprechen und ihren Willen zum Ausdruck
zu bringen.
Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen sind grundsätzlich
verbindlich und können damit eine wesentliche Hilfe für das Handeln des
Arztes sein. Ärzte sollten Patienten motivieren, von diesen
Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Empirische Untersuchungen haben
festgestellt, dass der Wille eines Patienten insbesondere in Bezug auf
die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen eine hohe Konsistenz
aufweist. Gleichwohl geben diese Vorausverfügungen nur für bestimmte
Teilbereiche und Grenzsituationen des Lebens und des Sterbens eine dem
Willen des Patienten hilfreiche Orientierung und können nicht
durchgehend selbstbestimmtes Leben und Sterben absichern [3].
Deshalb ist der Dialog zwischen Patient und Arzt, die Beratung und
Aufklärung über diese Fragen, besonders wichtig. Dabei kann die
Einbeziehung von Angehörigen des Patienten hilfreich sein.
Die vorliegenden Empfehlungen sollen Ärzten, aber auch Patienten,
eine grundlegende Orientierung im Umgang mit einer Vorsorgevollmacht
und/oder einer Patientenverfügung geben. Sowohl der Patient als auch
der Arzt können Gespräche über solche Willensbekundungen anregen.
Deshalb sind Ärzte aufgerufen, sich auch mit den rechtlichen
Implikationen und den veröffentlichten Mustern für solche Verfügungen
auseinanderzusetzen. Die vorliegenden Empfehlungen sollen diesen
Prozess unterstützen.
1. Möglichkeiten der Willensbekundung
Patienten haben das Recht, in eigenen persönlichen Angelegenheiten
für den Fall der Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit infolge
einer Krankheit oder hohen Alters vorzusorgen. Verschiedene
Möglichkeiten (Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung,
Betreuungsverfügung) bieten sich an. Im Wesentlichen wird auf die
Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung einschließlich ihrer
Grenzen eingegangen.
In der ärztlichen Praxis haben sich insbesondere die
Vorsorgevollmacht und eine Kombination aus Vorsorgevollmacht und
Patientenverfügung bewährt.
1.1 Vorsorgevollmacht
Mit der Vorsorgevollmacht wird eine Vertrauensperson für den Fall
der Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit des Vollmachtgebers
für bestimmte Bereiche, z. B. für die gesundheitlichen Angelegenheiten,
bevollmächtigt. Der Bevollmächtigte wird zum Vertreter des Willens. Er
verschafft dem Willen des aktuell nicht mehr einwilligungsfähigen
Vollmachtgebers Ausdruck und Geltung.
Vor der Bevollmächtigung sollten die Beteiligten den Inhalt der
Vorsorgevollmacht erörtern. Zwischen dem Vollmachtgeber und dem
Bevollmächtigten sollte ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen,
um einen möglichen Missbrauch zu verhindern. Die Vorsorgevollmacht
sollte nicht an Bedingungen [4] geknüpft werden.
Die Einwilligung eines Bevollmächtigten ist nur wirksam, wenn die
Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB [5]
genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Darüber hinaus bedarf die
Einwilligung des Bevollmächtigten oder Betreuers in eine Untersuchung
des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen
Eingriff der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wenn die
begründete Gefahr besteht, dass
- der Betreute oder Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme stirbt oder
- einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.
Ob die Einwilligung des Betreuers oder Bevollmächtigten erforderlich
ist und im Einzelfall genügt oder ob auch eine gerichtliche Genehmigung
vorliegen muss, hat zunächst der behandelnde Arzt zu beurteilen. Der
Arzt ist in der Beurteilung jedoch nicht frei, sondern an die objektiv
in § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelten Voraussetzungen gebunden. Dies
führt in der Praxis zu Unsicherheiten und vorsorglichen
Genehmigungsanträgen. Hält das Vormundschaftsgericht die Einwilligung
eines Betreuers oder eines Bevollmächtigten in eine solche Behandlung
nicht für genehmigungsbedürftig, erteilt es ein so genanntes
Negativattest. Im Übrigen kann die bestehende Rechtsunsicherheit durch
eine klare Regelung in § 1904 BGB verbessert, aber nicht vollständig
beseitigt werden. In Zweifels- und Konfliktfällen ist daher Betreuern,
Bevollmächtigten und Ärzten zu raten, vor entsprechenden Maßnahmen um
gerichtliche Genehmigung nachzusuchen bzw. diese abzuwarten. Solche
Fälle liegen beispielsweise vor, wenn zwischen dem Bevollmächtigten und
dem Arzt oder zwischen verschiedenen Bevollmächtigten und dem
behandelnden Arzt oder zwischen den Bevollmächtigten oder zwischen
mehreren behandelnden Ärzten ein Dissens über die weitere
Heilbehandlung oder einzelne Maßnahmen i. S. v. § 1904 Abs. 1 Satz 1
BGB besteht.
Gesetzlich darf eine Maßnahme ohne die Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub
Gefahr verbunden ist [6].
Vorsorgevollmachten können durch einen Notar beurkundet werden (§
20a Beurkundungsgesetz). Die notarielle Beurkundung bietet sich an,
wenn die Vorsorgevollmacht mit einer Vollmacht für andere
Angelegenheiten (z. B. Vermögensvorsorge) verbunden wird. Die
Bundesnotarkammer führt das "Zentrale Vorsorgeregister", in das
Vorsorgevollmachten eingetragen werden können. In diesem Register
können auch privatschriftliche Vorsorgevollmachten registriert werden.
Eine Auskunft aus dem Register erhält das Vormundschaftsgericht [7]; sie wird allerdings nicht an Ärzte oder Krankenhäuser erteilt.
Unter den in § 1901a BGB geregelten Voraussetzungen müssen sowohl
die Vorsorgevollmacht als auch ein Schriftstück, in dem jemand für den
Fall seiner Betreuung Vorschläge zur Auswahl des Betreuers oder Wünsche
zur Wahrnehmung der Betreuung geäußert hat, unverzüglich dem
Vormundschaftsgericht vorgelegt werden, damit das Gericht diese bei
seiner Entscheidung berücksichtigen kann. Eine Vorsorgevollmacht geht
einer gesetzlichen Betreuung grundsätzlich vor.
Eine Vorsorgevollmacht erlischt durch Widerruf seitens des
Vollmachtgebers. Ein solcher Widerruf ist stets möglich. Der Widerruf
bedarf keiner besonderen Form, auch ein mündlicher Widerruf ist möglich.
Eine Vorsorgevollmacht kann, wenn sie nahen Angehörigen erteilt
wird, die einen engen Kontakt zum Vollmachtgeber pflegen und die über
seine aktuellen Wünsche und Vorstellungen informiert sind, ein
geeignetes Instrument sein, um für den Fall der eigenen Geschäfts- oder
Einwilligungsunfähigkeit Vorsorge zu treffen und dem Willen Geltung zu
verschaffen. Der Vollmachtgeber hat sich die Person oder die Personen,
die er bevollmächtigt, selbst ausgesucht und sollte mit ihnen den
Inhalt der Vollmacht, gegebenenfalls unter Hinzuziehung ärztlichen
Rates, erörtern. Wird die Vorsorgevollmacht mit einer
Patientenverfügung kombiniert, dürfte dafür Sorge getragen sein, dass
der Bevollmächtigte in den Angelegenheiten der gesundheitlichen
Vorsorge die Interessen des Vollmachtgebers gegenüber Ärzten oder
Pflegepersonal wirksam vertreten kann.
1.2 Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung ist eine individuelle, schriftliche oder
mündliche, formfreie Willenserklärung eines entscheidungsfähigen
Menschen zur zukünftigen Behandlung im Fall der eigenen
Einwilligungsunfähigkeit. Sie sollte Angaben zu Art und Umfang der
medizinischen Behandlung in bestimmten Situationen enthalten. Adressat
der Verfügung ist nicht nur der behandelnde Arzt, sondern jeder (z. B.
Pflegepersonal), der an der Behandlung und Betreuung teilnimmt. Der in
der Patientenverfügung geäußerte Wille ist, sofern die Wirksamkeit der
Erklärung gegeben ist und keine Anhaltspunkte für eine Veränderung des
Willens vorliegen, zu beachten. Hilfreich kann die Benennung einer
Vertrauensperson sein, mit der der Patient die Patientenverfügung
besprochen hat und mit der ein Arzt die erforderlichen medizinischen
Maßnahmen besprechen soll, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist,
seinen Willen selbst zu äußern.
Patientenverfügungen sind nach geltendem Recht grundsätzlich
verbindlich, soweit nicht rechtlich Verbotenes (z. B. aktive
Sterbehilfe) verlangt wird.
Patientenverfügungen sind auch außerhalb der eigentlichen
Sterbephase zu beachten. Um Zweifel an der Bindungswirkung und an der
Aktualität einer Patientenverfügung zu begegnen, sollten folgende
Aspekte beachtet werden:
- Die Patientenverfügung beschreibt den individuellen Willen des
Verfügenden. Da der verfügenden Person medizinische Fachkenntnisse für
die Beschreibung eines bestimmten Krankheitszustandes fehlen können,
wird vor der Erstellung der Patientenverfügung ein ärztliches
Beratungsgespräch empfohlen. In dem Gespräch sollten die medizinischen
Aspekte geklärt und Krankheitsbilder erörtert werden. Der Patient kann
so seine eigenen Vorstellungen hinterfragen und sich mit einem Arzt
beraten.
- Die Patientenverfügung sollte mit Blick auf konkrete Situationen
und Maßnahmen formuliert werden. Möglicherweise kann der Arzt des
Vertrauens bei der Beschreibung des Patientenwillens behilflich sein.
- Die Patientenverfügung sollte zum Zweck des Nachweises schriftlich
erstellt, mit Datum versehen und von dem Verfügenden unterschrieben
werden. Der Wille des Patienten kann auch in anderer Form verlässlich
dokumentiert werden (z. B. Videoaufnahme).
- Die Unterschrift auf der Patientenverfügung sollte erneuert werden
(teilweise wird dies in einem Abstand von zwei Jahren empfohlen), um zu
dokumentieren, dass die Verfügung weiterhin dem aktuellen Willen
entspricht.
- Die Patientenverfügung muss im Ernstfall auffindbar sein. Es
empfiehlt sich, beispielsweise bei dem Hausarzt, eine Kopie der
Verfügung zu hinterlegen, auf der vermerkt ist, bei wem sich die
Originalurkunde befindet (vgl. auch nachstehende Nrn. 7 und 8).
- In der Patientenverfügung sollte zudem eine Vertrauensperson
benannt werden, mit der die Patientenverfügung und der darin erklärte
Wille besprochen wurde. Die benannte Vertrauensperson sollte die
Verfügung ebenfalls unterschreiben. Eine Kombination von
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ist ratsam (vgl. Nr. 1.4).
- Die Verfügung sollte Hinweise auf weitere Erklärungen in
Gesundheitsangelegenheiten (z. B. Betreuungsverfügung) enthalten,
soweit diese abgegeben wurden. [8]
1.3 Betreuungsverfügung
Eine Betreuungsverfügung ist eine für das Vormundschaftsgericht
bestimmte Willensäußerung einer Person für den Fall der Anordnung einer
Betreuung. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Patient
infolge einer Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht
mehr selbst besorgen kann und deshalb ein Betreuer bestellt werden muss.
In einer Betreuungsverfügung können Vorschläge zur Person eines
Betreuers und Handlungsanweisungen für den Betreuer zur Wahrnehmung
seiner Aufgaben festgelegt sein. Der Betreuer wird vom Gericht
(Amtsgericht ? Vormundschaftsgericht) bestellt. Eine Betreuung kann
auch für bestimmte Bereiche (z. B. Gesundheit und Vermögen) angeordnet
werden, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seine
Angelegenheiten selbst zu regeln und eine Vorsorgevollmacht hierfür
nicht vorliegt oder nicht ausreicht.
Wer zu einer Einrichtung (z. B. Alten- und Pflegeheim), in welcher
der Betreute untergebracht ist oder wohnt, in einer engen Beziehung
steht (z. B. Arbeitsverhältnis), darf nicht zum Betreuer bestellt
werden (§ 1897 Abs. 3 BGB).
Das Vormundschaftsgericht und der Betreuer müssen eine
Betreuungsverfügung grundsätzlich beachten. Der Betreuer entscheidet im
Rahmen seines Aufgabenkreises für den Betreuten; er unterliegt dem
Betreuungsrecht (§§ 1896 ff. BGB) und wird vom Gericht kontrolliert. Im
Rahmen einer Betreuung dürfen Maßnahmen nicht gegen den erkennbaren
Willen des Betreuten/Patienten durchgeführt werden.
1.4 Bewertung
Die Vorsorgevollmacht bzw. eine Kombination aus Vorsorgevollmacht
und Patientenverfügung wird gegenüber einer Patientenverfügung ohne
Vorsorgevollmacht präferiert.
Mit der Vorsorgevollmacht benennt der Vollmachtgeber einen
Bevollmächtigten in Gesundheitsangelegenheiten. Damit hat der Arzt
einen Ansprechpartner, der den Willen des Verfügenden zu vertreten hat
und der bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens mitwirkt. Die
Praxis hat gezeigt, dass ein grundsätzlicher Unterschied besteht, ob
Menschen in gesunden Tagen und ohne die Erfahrung ernsthafter
Erkrankung eine Verfügung über die Behandlung in bestimmten Situationen
treffen oder ob sie in der existenziellen Betroffenheit durch eine
schwere unheilbare Krankheit gefordert sind, über eine Behandlung zu
entscheiden. Dies unterstreicht die grundlegende Bedeutung
vertrauensvoller Gespräche zwischen Patient und Arzt, auch zwischen
Patient und Angehörigem oder Bevollmächtigtem, um vorausschauend
Entscheidungsoptionen zu erörtern und auf Behandlungsalternativen
hinzuweisen.
Die Aufnahme in ein Krankenhaus, ein Alten- oder Pflegeheim darf
nicht von dem Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein einer
Patientenverfügung abhängig gemacht werden.
2. Wesentlicher Inhalt
In der Praxis gibt es eine Fülle von Mustern für Vorsorgevollmachten
und Patientenverfügungen. Erwähnt werden sollen insbesondere die
Formulare, die
angeboten werden.
Ob im Einzelfall ein Formular benutzt wird und welches, sollte der
Patient entscheiden, weil diese auch unterschiedliche Wertvorstellungen
zum Ausdruck bringen. Ein Arzt kann auf die verschiedenen Muster von
Patientenverfügungen hinweisen. Inhaltlich sind regelmäßig Aussagen zu
den Situationen enthalten, für die sie gelten sollen oder es wird auf
bestimmte ärztliche Maßnahmen, die in bestimmten Situationen angezeigt
sind oder unterbleiben sollen, abgestellt.
2.1 Situationen
Willensbekundungen im Sinne der vorstehenden Nr. 1 sollen Aussagen
zu den Situationen enthalten, für die sie gelten sollen, zum Beispiel:
- Sterbephase,
- nicht aufhaltbare schwere Leiden,
- dauernder Verlust der Kommunikationsfähigkeit (z. B. Demenz, apallisches Syndrom, Schädelhirntrauma),
- akute Lebensgefahr,
- irreversible Bewusstlosigkeit.
2.2 Ärztliche und damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen
Für die genannten Situationen können Vorsorgevollmachten und
Patientenverfügungen auch Aussagen zur Einleitung, zum Umfang und zur
Beendigung ärztlicher Maßnahmen enthalten, etwa
- künstliche Ernährung,
- Beatmung,
- Dialyse,
- Organersatz,
- Wiederbelebung,
- Verabreichung von Medikamenten wie z. B. Antibiotika, Psychopharmaka oder Zytostatika,
- Schmerzbehandlung,
- Art der Unterbringung und Pflege,
- andere betreuerische Maßnahmen,
- Hinzuziehung eines oder mehrerer weiterer Ärzte,
- alternative Behandlungsmaßnahmen,
- Gestaltung des Sterbeprozesses.
In jedem Fall ist die Anwendbarkeit einer Vorsorgevollmacht
und/oder einer Patientenverfügung für die konkrete Situation vom Arzt
zu prüfen.
2.3 Ergänzende persönliche Angaben
Um in Situationen, die in der Verfügung nicht erfasst sind, den
mutmaßlichen Willen besser ermitteln zu können, empfiehlt es sich auch,
Lebenseinstellungen, die religiöse Überzeugung sowie die Bewertung von
Schmerzen und schweren Schäden in der verbleibenden Lebenszeit
mitzuteilen.
2.4 Ärztliche Beratung und Aufklärung
Ärzte sollen mit Patienten über die Abfassung einer
Vorsorgevollmacht oder einer Patientenverfügung sprechen. Dabei sollte
die Initiative für ein Gespräch in der Regel dem Patienten überlassen
bleiben. In bestimmten Fällen kann es die Fürsorge für den Patienten
gebieten, mit ihm die Möglichkeiten antizipierter Willensäußerungen zu
erörtern. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn bei einer
bevorstehenden Behandlung oder in einem absehbaren Zeitraum der
Eintritt der Entscheidungsunfähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu
erwarten ist und der Patient ohne Kenntnis von den Möglichkeiten der
antizipierten Willensäußerung seine Sorge über den möglichen Zustand
fehlender Selbstbestimmung angesprochen hat.
Äußert der Patient die Absicht, eine Vorsorgevollmacht oder eine
Patientenverfügung aufzusetzen, sollte der Arzt seine Beratung für
damit zusammenhängende medizinische Fragestellungen anbieten, so dass
der Patient diese Sachkenntnis in seine Entscheidungsfindung
einbeziehen kann. Zwar kann der Arzt dem Patienten die oftmals
schwierige und als belastend empfundene Entscheidung über das Ob und
Wie einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung nicht abnehmen,
wohl aber Informationen für das Abwägen der Entscheidung beitragen. So
kann der Arzt beispielsweise über medizinisch mögliche und indizierte
Behandlungsmaßnahmen informieren, auf die mit Prognosen verbundenen
Unsicherheiten aufmerksam machen und allgemein über Erfahrungen mit
Patienten, die sich in vergleichbaren Situationen befunden haben,
berichten. Indem der Arzt den Patienten möglichst umfassend informiert,
kann er zugleich Vorsorge gegen aus ärztlicher Sicht nicht gebotene
Festlegungen des Patienten treffen, etwa indem er über
Missverständnisse - z. B. über die so genannte Apparatemedizin -
aufklärt, Fehleinschätzungen hinsichtlich der Art und statistischen
Verteilung von Krankheitsverläufen korrigiert und die Erfahrungen aus
dem Umfeld des Patienten, an denen sich dieser orientiert und aus denen
er möglicherweise falsche Schlüsse zieht, hinterfragt. Der Arzt darf
dem Patienten nicht seine Sicht der Dinge oktroyieren. Er kann aber
wesentlich dazu beitragen, die Meinungsbildung des Patienten zu
verbessern und abzusichern. Er kann dem Patienten nicht nur das Für und
Wider seiner Entscheidungen vor Augen führen, sondern ihm durch die
Aufklärung auch Ängste nehmen.
In dem Dialog sollte der mögliche Konflikt zwischen den in gesunden
Tagen geäußerten Vorstellungen und den Wünschen in einer aktuellen
Behandlungssituation thematisiert werden. Dies gilt insbesondere für
Festlegungen zu bestimmten Therapien oder zur Nichtaufnahme einer
Behandlung wie z. B. eine künstliche Ernährung über eine Magensonde bei
einer demenziellen Störung.
Eine eingehende ärztliche Beratung vor der Abfassung einer
Patientenverfügung wird für einen Patienten, der sein
Selbstbestimmungsrecht vorgreifend wahrnimmt, unter mehreren Aspekten
von Vorteil sein.
Der Patient kann vielfach erst bei Inanspruchnahme einer ärztlichen
Beratung in der Lage sein zu entscheiden, welches der zahlreichen
verfügbaren und inhaltlich unterschiedlichen Formulare seinen Wünschen
am ehesten entgegenkommt und welche Formulierungen geeignet sind, seine
persönlichen Vorstellungen hinreichend nachvollziehbar und umsetzbar
niederzulegen. Zudem wird der Patient, wenn er sich ärztlich beraten
lässt, die Wirksamkeit seiner Willensbekundungen dadurch erhöhen
können, dass er die Situationen, in denen Behandlungsentscheidungen
voraussichtlich anfallen, und die in diesen Situationen bestehenden
Handlungsoptionen sehr viel konkreter beschreiben und damit das
faktische ärztliche Handeln in weit größerem Umfang festlegen kann, als
es ohne Beratung der Fall wäre. Dies gilt vor allem, wenn aufgrund
einer diagnostizierten Erkrankung die voraussichtlichen
Entscheidungssituationen und Behandlungsoptionen relativ konkret
benannt werden können.
Der Dialog zwischen Patient und Arzt kann dazu beitragen, dass der
Arzt, insbesondere der Hausarzt, ein differenziertes Bild vom Willen
des Patienten erhält und diesem auch Geltung verschaffen kann, wenn in
einer Vollmacht oder Patientenverfügung festgehalten ist, dass und mit
wem das Gespräch stattgefunden hat.
2.5 Schweigepflicht
Gegenüber dem Bevollmächtigten und dem Betreuer ist der Arzt zur
Auskunft berechtigt und verpflichtet, da Vollmacht und Gesetz den Arzt
von der Schweigepflicht freistellen. In der Patientenverfügung können
weitere Personen benannt werden, gegenüber denen der Arzt von der
Schweigepflicht entbunden wird und denen Auskunft erteilt werden soll.
Für eine Vorsorgevollmacht empfiehlt sich die Schriftform. Wegen der
Möglichkeit einer notariellen Beurkundung wird auf die Ausführungen
unter Nr. 1.1 verwiesen. Eine Patientenverfügung bedarf keiner
besonderen Form. Aus Beweisgründen sollte sie schriftlich abgefasst
sein. Eine handschriftliche Abfassung der Patientenverfügung durch den
Verfügenden (wie z. B. bei einem Testament) ist nicht notwendig. Die
Benutzung eines Formulars ist möglich (vgl. Nr. 2.). Eine
Patientenverfügung soll persönlich unterschrieben und mit Datum
versehen sein. Rechtlich ist es weder erforderlich, die Unterschrift
durch Zeugen bestätigen zu lassen, noch eine notarielle Beglaubigung
der Unterschrift herbeizuführen.
Um Zweifeln zu begegnen, kann sich eine Unterschrift vor Zeugen
empfehlen, die ihrerseits schriftlich die Echtheit der Unterschrift
sowie das Vorliegen der Einwilligungsfähigkeit des Verfassers
bestätigen.
4. Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit
Eine Vorsorgevollmacht kann nur von einer Person erteilt werden, die
in vollem Umfang geschäftsfähig ist. Wird eine Vorsorgevollmacht von
einem Notar beurkundet, was sich anbietet, wenn die Vorsorgevollmacht
nicht nur gesundheitliche Angelegenheiten, sondern auch andere Bereiche
(z. B. Vermögensvorsorge) umfasst, sind Zweifel an der
Geschäftsfähigkeit so gut wie ausgeschlossen, weil der Notar hierzu
Feststellungen in der Urkunde treffen muss.
Patientenverfügungen sind nur wirksam, wenn der Patient zur Zeit der
Abfassung einwilligungsfähig war. Sofern keine gegenteiligen
Anhaltspunkte vorliegen, kann der Arzt von der Einwilligungsfähigkeit
des volljährigen Patienten ausgehen. Die Einwilligungsfähigkeit liegt
vor, wenn die Einsichts- und Urteilsfähigkeit einer Person nicht durch
Krankheit und/oder Behinderung beeinträchtigt ist, sondern die Person
ihr Selbstbestimmungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten
eigenverantwortlich ausüben kann. Diese Einwilligungsfähigkeit ist
gegeben, wenn der Patient um Art und Schwere einer möglichen Erkrankung
oder Behinderung weiß sowie Wesen, Bedeutung und Tragweite der
Verfügung zu beurteilen vermag. Dies ist keine Frage des Alters;
einwilligungsfähig können auch Minderjährige sein. Es kann auch aus
diesem Grund angezeigt sein, dass Arzt und Patient eine
Patientenverfügung durchsprechen und der Arzt die
Einwilligungsfähigkeit des Patienten bestätigt.
5. Ärztliche Dokumentation
Ärzte haben über die in Ausübung ihres Berufs gemachten
Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen
Aufzeichnungen zu machen. Diese sind nicht nur Gedächtnisstützen für
den Arzt, sie dienen auch dem Interesse des Patienten an einer
ordnungsgemäßen Dokumentation (vgl. § 10 Abs. 1
(Muster-)Berufsordnung). Die Pflicht zur Dokumentation gilt auch für
Gespräche des Arztes mit dem Patienten über eine Vorsorgevollmacht oder
eine Patientenverfügung. Es kann hilfreich sein, eine Kopie einer
solchen Verfügung zur ärztlichen Dokumentation zu nehmen. Damit ist der
Arzt in der Lage, bei wesentlichen Veränderungen des
Gesundheitszustandes des Patienten eine Konkretisierung oder eine
Aktualisierung anzuregen. Zudem steht er anderen Ärzten als
Gesprächspartner zur Verfügung, wenn es gilt, den mutmaßlichen Willen
des Patienten festzustellen und umzusetzen.
6. Aufbewahrung
Für Betreuungsverfügungen, auch in Kombination mit einer
Vorsorgevollmacht, besteht in einigen Bundesländern die Möglichkeit,
diese bei dem zuständigen Vormundschaftsgericht zu hinterlegen.
Patienten sollten durch den Dialog mit dem behandelnden Arzt und mit
ihren Angehörigen dafür Sorge tragen, dass diese Personen um die
Existenz einer Vorsorgevollmacht oder einer Patientenverfügung wissen,
einschließlich des Ortes, an dem sie hinterlegt oder aufbewahrt werden.
Von einem Notar beurkundete oder beglaubigte Vorsorgevollmachten
werden an ein elektronisches Zentralregister der Bundesnotarkammer
gemeldet. Seit dem 1. März 2005 können auch Patienten ihre
Vorsorgevollmacht in einem zentralen Vorsorgeregister der
Bundesnotarkammer speichern lassen. Formularvordrucke für die
Eintragung sind unter www.zvr-online.de abrufbar.
7. Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht
Eine Vorsorgevollmacht ist grundsätzlich wirksam.
Sollten Zweifel an der Wirksamkeit einer Vollmacht bestehen, weil
die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers fragwürdig ist, kann bei dem
zuständigen Vormundschaftsgericht ein Verfahren zur Betreuerbestellung
eingeleitet werden. In diesen Fällen erweist es sich als hilfreich,
wenn der Bevollmächtigte vom Vollmachtgeber in einer
Betreuungsverfügung gleichzeitig als Betreuer vorgeschlagen wurde.
Das Vormundschaftsgericht wird dann zu entscheiden haben, ob und
welcher Betreuer bestellt wird oder ob mit einem so genannten
Negativattest bestätigt wird, dass die Vollmacht wirksam ist und einer
Betreuerbestellung gem. § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgeht.
8. Verbindlichkeit einer Patientenverfügung
Der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille des Patienten ist
grundsätzlich verbindlich; deshalb dürfen sich Ärzte nicht über die in
einer Patientenverfügung enthaltenen Willensäußerungen eines Patienten
hinwegsetzen.
Gleichwohl können Situationen eintreten, die nicht konkret
beschrieben sind oder sich nicht voraussagen ließen. Zudem kommt die
Patientenverfügung zu einem Zeitpunkt zur Anwendung, wenn die
Kommunikation zwischen Arzt und Patient nicht mehr oder nur
eingeschränkt möglich ist.
Fehlinterpretationen von Patientenverfügungen lassen sich
reduzieren, wenn eine bevollmächtigte Vertrauensperson als
Ansprechpartner für den Arzt oder für das Pflegepersonal zur Verfügung
steht. Denn im weiteren Krankheitsverlauf kann eine Auseinandersetzung
mit den zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen erforderlich
sein und es können Bedenken hinzutreten, ob der antizipierte und der
aktuelle Wille des Patienten noch identisch sind. Solche Zweifel führen
nicht zur Unbeachtlichkeit der gesamten Patientenverfügung, sondern sie
bleibt insoweit verbindlich, wie sich daraus bestimmte
Wertorientierungen des Patienten und der mutmaßliche Wille erkennen
lassen, die für die Behandlung und den Umgang zu beachten sind. Darüber
hinaus können konkrete Anhaltspunkte und Willensäußerungen in der
Patientenverfügung enthalten sein, die sich auf die spezifische
Behandlungssituation beziehen und beachtlich sind oder die auf die
vorliegende Situation übertragbar sind und insofern den mutmaßlichen
Willen des Patienten widerspiegeln.
Den mutmaßlichen Willen des Patienten zu erforschen bedeutet, nach
bestem Wissen und Gewissen zu beurteilen, was der Patient für sich
selbst in der Situation entscheiden würde, wenn er es könnte. Eine
solche Beurteilung kann im Einzelfall gerade bei sehr schlechten und
infausten Prognosen schwierig sein. Der in einer Vorsorgevollmacht oder
Patientenverfügung niedergelegte Wille kann eine entscheidende Hilfe
sein.
Auch insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen in den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung [9] Bezug genommen.
In der Praxis können sich Konflikte ergeben, wenn das aktuelle
Verhalten des nicht selbstbestimmungsfähigen Patienten Anhaltspunkte
dafür zeigt, dass er unter den gegebenen Umständen den zuvor
schriftlich geäußerten Willen nicht (mehr) gelten lassen würde.
Um auf der einen Seite das Rechtsinstitut der Patientenverfügung
nicht ins Leere laufen zu lassen und um andererseits dem Respekt vor
aktuellen Willensänderungen des Patienten gerecht zu werden, liegt in
solchen Konfliktfällen eine prozedurale Lösung nahe. Eine solche Lösung
verhindert, dass die Ausführung einer Patientenverfügung zu einem
Automatismus ohne Ansehung der Situation des konkret betroffenen
Patienten wird. Zugleich ist es die Zuwiderhandlung gegen eine
Patientenverfügung, die hinreichend begründet werden muss. Es muss
verdeutlicht werden, dass der vorausverfügte Wille in der konkreten
Situation keine Gültigkeit mehr beanspruchen kann. Die Form der
Prozeduralisierung sollte diesen beiden Intentionen Rechnung tragen.
Entsprechend sollten neben den Auffassungen der Bevollmächtigten oder
Betreuer die Einschätzung des Falles durch Angehörige, Ärzte und
Pflegende berücksichtigt werden. Dabei kann die Einschaltung eines
eventuell vorhandenen klinischen Ethikkomitees angezeigt sein. [10] Das Vormundschaftsgericht sollte nur dann angerufen werden, wenn die genannten Personen zu keinem einheitlichen Votum gelangen.
In Notfallsituationen, in denen der Wille des Patienten nicht
bekannt ist und auch für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens keine
Zeit bleibt, ist die medizinisch indizierte Behandlung einzuleiten, die
im Zweifel auf die Erhaltung des Lebens gerichtet ist. Im weiteren
Verlauf gelten die oben dargelegten allgemeinen Grundsätze.
Weder die Autonomie noch die Gewissensfreiheit des Arztes
berechtigen zu Eingriffen in die körperliche Integrität des Patienten
oder deren Fortsetzung, die von dessen erklärter oder mutmaßlicher
Einwilligung nicht oder nicht mehr getragen werden. Ein Arzt kann aber
nicht zu einer seinem Gewissen widersprechenden Behandlung oder zu
bestimmten Maßnahmen gezwungen werden [11].
Sehr hilfreich kann es sein, das Ziel ärztlichen und pflegerischen
Handelns jeweils zu überprüfen. Der Arzt hat zu hinterfragen, ob im
konkreten Fall noch eine medizinische Indikation für eine bestimmte
Therapie vorliegt. Wenn eine Behandlung nicht medizinisch indiziert
ist, stellt sich die Frage nicht, ob der Patient mit dem Abbruch
einverstanden wäre. An die Stelle von Lebensverlängerung und
Lebenserhaltung treten dann palliativ-medizinische Versorgung und
pflegerische Maßnahmen.
[1] Dt. Ärzteblatt 2004; Heft 19: A-1298-1299.
[2]
Die nachstehenden Bezeichnungen "Arzt" und "Patient" werden einheitlich
und neutral für Ärzte und Ärztinnen sowie für Patienten und
Patientinnen verwendet.
[3]
Ulrich Eibach, Klaus Schäfer, Patientenautonomie und Patientenwünsche,
Ergebnisse und ethische Reflexion von Patientenbefragungen zur
selbstbestimmten Behandlung in Krisensituationen, MedRecht 2001, Heft
1, S. 21 ff. (21).
[4] z. B. bestimmter Krankheitszustand i. V. m. Beurteilung durch einen Sachverständigen.
[5]
§ 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB lautet: "Die Einwilligung des Betreuers in
eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder
einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der
Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger
dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.".
[6] § 1904 Abs. 1 Satz 2 BGB.
[7]
Auch das Landgericht als Beschwerdegericht, vgl. § 78a Abs. 2 S. 1
BNotO; in das Register dürfen Angaben über Vollmachtgeber,
Bevollmächtigte, die Vollmacht und deren Inhalt aufgenommen werden,
vgl. § 78a Abs. 1 S. 2 BNotO.
[8]
Die genannten Aspekte lehnen sich an die Ausführungen der Ärztekammer
Nordrhein zu den veröffentlichten "Verfügungen in
Gesundheitsangelegenheiten" an.
[10]
Vgl. dazu die Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission bei der
Bundesärztekammer "Ethikberatung in der klinischen Medizin?, Dt.
Ärzteblatt 2006; 103: A 1703-07.
[11]
Das OLG München hatte sich in einer Entscheidung vom 31. Januar 2002 (1
U 4705/98) mit den Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch
eines Zeugen Jehovas wegen einer Bluttransfusion gegen dessen Willen zu
befassen. Das Gericht stellte u. a. fest: "Ein Arzt, der seinem Eid und
Berufsethos verpflichtet, in dem Bemühen Kranke zu heilen und die
Behandlung eines Menschen in Kenntnis einer Patientenverfügung
übernimmt, ... wird damit nicht zu einem willenlosen Spielball dieser
Verfügung, bar jeden Gewissens."