Dr. Joachim Selle
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In der medikamentösen Behandlung des Hyperkinetischen Syndroms (ADHS) tut sich was. Bisher war es in Deutschland relativ unüblich, eine medikamentöse Behandlung mit Amphetaminen einzusetzen. Hierzu war kein “Fertigpräparat” eines Pharmaherstellers zu erhalten, vielmehr musste man eine Rezeptur von DL-Amphetaminsulfatsaft 0.2 %ig vom Apotheker anfertigen lassen.

In den USA und Canada sind Amphetamine gegenüber Methylphenidat weiter verbreitet. Hier sind speziell “Mixsalze” von Amphetamin als Adderall® ziemlich bekannt geworden. Relativ neu ist dann das Lisdexamfetamine (Vyvanse). Vorteil dieses Medikamentes, das nur das “rechtsdrehende” Enantiomer Dexamfetamine aufweist, ist die lange Wirkdauer über 12-16 Stunden. Daneben soll das Missbrauchsrisiko für Nicht-ADHSler durch einen pharmakologischen Trick geringer sein. An das wirksame Molekül wird eine Aminosäure gekettet, die sich erst im Magen vom Wirkstoff trennt. Damit eignet sich das Medikament nicht für den Missbrauch durch die Nase oder Spritzen.

Nun ist mit Attentin® offenbar zum 1.12.2011 erstmals ein Amphetamin (Dexamphetamin) in Deutschland zugelassen worden, das von der Firma Medice vertrieben wird. So wie ich es verstehe, mit der Einschränkung, dass zunächst (neben der obligatorischen nicht-medikamentösen Behandlung) Therapieversuche mit Methylphenidat UND auch Atomoxetin (Strattera) keine gute Wirkung hatten.

Das ist nicht so ganz in Übereinstimmung mit internationalen Empfehlungen. Dort wird Methylphenidat und Amphetamine eben gleichberechtigt als “First line”, als Mittel der ersten Wahl gesehen, dann erst mit kleinem Abstand Atomoxetin. Wenn Methylphenidat nicht wirkt (die Diagnose aber stimmig ist und eigentlich auch ein pharmakologisches Ansprechen zu erwarten wäre), sollte man nach den amerikanischen Sichtweisen erstmal auf Amphetamine umstellen. Also: Falls man mit Amphetaminen wie Adderall oder Vyvanse begonnen hat und keinen guten Therapieeffekt hatte, sollte auf Methylphenidat umgestellt werden.

Ich habe relativ häufig Amphetaminsaft eingesetzt. Gerade bei Frauen mit ADHS wirkt es etwas “weicher”, der bei MPH auftretende “on-off-Effekt” ist nicht so stark. Damit meint man, dass bei MPH bei einigen Patienten doch ein relativ plötzlicher Beginn und ein starkes akutes Nachlassen der Wirkung mit dem sogenannen Rebound-Effekt Probleme machen kann.
Zudem kann Amphetamin bei einigen Patienten besser im Bereich der Gefühlsstabilisierung wirken. Hier ist aber Vorsicht angesagt: Man sollte / darf Amphetamin eben nicht als “Euphorisierer” einsetzen und solange hochdosieren, bis nun eine “rosarote” Stimmung angegeben wird. Einige Klienten im Erwachsenenalter setzen irgendwie darauf, dass es ihnen mit dem Medikament “gut” gehen sollte. Dabei soll man sich nur “echter” fühlen. Und echter heisst bei ADHS eben, dass man die Probleme noch deutlicher wahrnimmt, um sie dann angehen zu können. Nicht aber, dass sie betäubt oder übertüncht werden.

Nicht einsetzen sollte man daher Amphetamine bei zurückliegenden Drogenerfahrungen. Was ja eigentlich klar sein sollte. Aber immer wieder begegnen uns dann auch ADHSler, die Müdigkeit mit ADHS-Symptomen verwechseln. Und dann quasi Amphetamin aus der Illegalität ausprobierten, um “wach” zu werden. Also als “Upper” missbraucht haben. Hier muss der verordnende Arzt gehörig aufpassen. Klar, dass Attentin wird nicht für Erwachsene zugelassen bzw. von der Kasse bei Erwachsenen erstattet werden.

 

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