Dr. Joachim Selle
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Alkoholismus-Folgen nach Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS), Westring 2, Hamm 1, Tel. (02381) 25855  Alkohol im Straßenverkehr auf der Homepage  Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN): Riskanter schädlicher und abhängiger Alkoholkonsum: Screening, Diagnostik, Kurzintervention Akutbehandlung alkoholbezogener Störungen


Alkoholismus ist nach neuen wissenschaftlichen Untersuchungen zu einem großen Teil genetisch bedingt. Mehrere Studien sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Alkoholabhängigkeit zu etwa 50 bis 60 Prozent genetisch determiniert ist,  Das bedeute jedoch nicht, dass Alkoholismus nicht heilbar ist. Als abwegig erwiesen habe sich die unter anderem aus der Psychoanalyse stammende Theorie von der "Suchtpersönlichkeit" - dass etwa labile Persönlichkeiten stärker zum Alkoholismus neigten als andere. In Deutschland trinken zwischen acht und zehn Millionen der Bevölkerung zu viel Alkohol. Etwa drei Prozent der Bevölkerung sind Alkoholiker, etwa fünf Prozent sind Alkoholmissbraucher. Unter dieser Kategorie werden Menschen zusammengefasst, bei denen hoher Alkoholkonsum bereits Auswirkungen auf Gesundheit, Sozial- und Arbeitsleben hat. Weltweit schätzt die WHO, dass sechs Prozent des Bruttosozialproduktes einer Industrienation für die alkoholassoziierten Folgeschäden verwendet werden. Im Jahr 2003 waren Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol die 2. häufigste Diagnose bei den aus deutschen Krankenhäusern entlassenen männlichen vollstationäre Patienten, nach der chronisch ischämischen Herzkrankheit. (Quelle Statistisches Bundesamt Deutschland 2005) Bei Frauen hat es die Diagnose nicht unter die ersten 10 geschafft.  Persönlichkeit und soziale Schicht spielen bei der Suchtentstehung keine Rolle. Es sind allerdings nicht nur die Gene die schuld sind. Es ist bekannt und in vielen Studien dokumentiert, dass weitere individuelle, soziale und kulturelle Faktoren entscheidend zur Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit beitragen. Emotionaler Mangel und soziale Isolierung wie beispielsweise bei Heimkindern kann mit zur Auslösung beitragen. Zu diesen Faktoren gehören persönliche Einstellungen, kulturelle Trinkgepflogenheiten und Zwänge, das Konflikterleben und andere aktuelle Belastungen. Dass die Gene ein wichtiger Faktor bei der Suchtentstehung seien, belegen zahlreiche Untersuchungen. Auf genetische Veranlagung deute etwa die Tatsache, dass Alkoholismus in manchen Familien gehäuft auftritt. Adoptierte Kinder, die Alkoholiker als leibliche Eltern haben, laufen auch in Pflegefamilien ohne Alkoholmissbrauch ein drei bis vier Mal höheres Risiko der späteren Abhängigkeit als andere adoptierte Kinder. Noch nicht bekannt sei allerdings, welche Gene oder welche Kombination von Genen eine Rolle bei der Suchtentstehung spielen. Eine genetische Veranlagung zum Alkoholismus bedeutet auch nicht, dass die Alkoholabhängigkeit unbesiegbar ist. Die Therapieerfolge liegen längerfristig bei etwa 40-50 Prozent. Das ist wesentlich höher als bei manch anderer chronischen Krankheit. Die Menschen sind  besonders gefährdet, die akut nur wenig Auswirkungen des Alkohols verspüren. Offenbar ruft Alkoholkonsum bei diesen Menschen kaum unangenehme Wirkungen hervor, sodass ein natürliches Warnsignal fehlt, das den Betroffenen anzeigt, wie gefährlich exzessiver Alkoholkonsum für sie ist. Aktuelle genetische Studien und Untersuchungen im Primatenmodell weisen darauf hin, dass die erhöhte Alkoholtoleranz Folge einer Unterfunktion der serotonergen Neurotransmission sein könnte. Diese serotonerge Funktionsstörung kann genetisch bedingt sein oder als Folge früher sozialer Stressbedingungen auftreten. Sie vermindert offenbar die Reaktion auf sedierende, GABAerg (GABA, Gammaaminobuttersäure) vermittelte sedierende Wirkungen  des Alkohols. Ähnliches gilt für die schützende Wirkung eines genetisch bedingten verlangsamten Abbaus. Bei Menschen mit einer genetisch bedingten Verlangsamung des Alkoholabbaus steigt das giftige Stoffwechselprodukt Acetaldehyd an und verursacht höchst unangenehme Wirkungen, die die Betroffenen meist vor einem exzessiven Alkoholkonsum und der Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit bewahren. Gemeinsames Kennzeichen dieser Risikofaktoren ist also, dass sie mit einer geringen Ausprägung unangenehmer Wirkungen akuten Alkoholkonsums einhergehen. Dies wird von den Betroffenen meist nicht als Gefahr, sondern eher als vermeintliche Stärke erlebt („ich kann andere unter den Tisch trinken“). Gerade jene jungen Menschen, die viel Alkohol vertragen, sind besonders gefährdet, auf längere Sicht alkoholabhängig zu werden. Jugendliche, die auf Alkohol nur schwach reagieren, beginnen frühzeitiger damit, größere Mengen zu konsumieren. Diese wichtige Beobachtung sollte gerade in der schulischen Präventionsarbeit verstärkt beachtet werden. Mann, Karl ; Heinz, Andreas, Serie - Deutsches Ärzteblatt 98, Heft 36 vom 07.09.01, Seite A-2279.   Jugendlichen sind stärker gefährdet, wenn sie Kontakt zu Gleichaltrigen haben, die das Alkoholtrinken positiv bewerteten und sozialen Druck ausüben. Ein weiterer Risikofaktor ist ein ausgeprägtes Neugierverhalten, niedrige Schadensvermeidung und geringe Belohnungsabhängigkeit. Hinckers A, et al., Alkoholkonsum in der Adoleszenz – soziale und individuelle Einflussfaktoren. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2005; 4: 273–84.  Nach genetischen und bildgebenden Studien wird die Empfindlichkeit gegenüber den Alkoholnebenwirkungen u.a. durch die zentrale Verfügbarkeit der Serotonintransporter beeinflusst. Wird vermehrt Alkohol konsumiert kommt es zu neuroadaptiven Prozesse im Bereich der glutamatergen und GABAergen Neurotransmission, die den sedierenden Alkoholwirkungen entgegengesetzt sind. Bei plötzlicher Beendigung des Alkoholkonsums kann es zu Entzugserscheinungen und im Rahmen von Lernmechanismen auch zum konditionierten Entzug kommen, der einen Rückfall auslösen kann. Das Alkoholverlangen und die Kontrollminderung sind Ergebnis einer Anpassung des Hirnbelohnungssystems an den regelmäßigen Alkoholkonsum mit Veränderungen im Bereich der dortigen dopaminergen und opioidergen System, die dann verhaltensverstärkend wirken. Das Ausmaß dieser Veränderungen war in prospektiven Studien mit dem Rückfallrisiko verbunden. Ähnliche Beobachtungen gibt es auch für andere Suchtstoffe, so ist beispielsweise das Abhängigkeitsrisiko von Cannabis besonders groß, wenn Jugendliche früh angenehme Wirkungen berichten. D.M. Fergusson, et al Arch Gen Psychiatry. 2003;60:1033-1039.  Abhängigkeit entsteht aus einem Zusammenwirken von genetischen Faktoren, Umwelteinflüssen in besonders empfindlichen Phasen der Gehirnentwicklung, kulturellen Faktoren und sozialen Faktoren. Eindimensionale Erklärungen der Ursachen greifen hier zu kurz.  Besonders wichtig in der Entwicklung von Substanzabhängikeiten scheinen kritische Entwicklungsphasen in der Jugend zu sein. Bei Jugendlichen finden sich besondere Phasen der Hirnreifung in bestimmten Hirngebieten. Dabei entwickelt sich hier zeitgleich  in den selben Regionen des Gehirns Motivation, Impulsivität, und Abhängigkeit. Jugendliche Impulsivität und Neugier, die Suche nach neuen Wegen sind normalerweise vorübergehende Verhaltensweisen, die zum Teil mit Reifungsprozessen in frontalen  corticalen und subcorticalen monoaminergen System zu erklären sind. Diese Entwicklungsprozesse beeinflussen Lernvorgänge vor allem in der Suche nach der Erwachsenenrolle positiv, bedingen aber eine vermehrte Vulnerabilität für abhängiges Verhalten und Drogen. Auch andere Ursachen spielen eine erhebliche Rolle. Neurochemische Studien zeigen, dass ein schneller Anstieg der Dopaminkonzentration in bestimmten Gehirngebieten (Hirnbelohnungssystem mit Schwerpunkt Basalganglien und Cingulum) durch Drogen bewirkt wird, die abhängig machen. Nach chronischem Drogenmissbrauch und im Entzug geht die Dopaminkonzentration in diesen Hirngebieten massiv zurück. Es kommt zu einer Dysfunktion präfrontaler Hirnregionen (einschließlich des orbitofrontalen Cortex und des Gyrus cinguli). Diese Veränderungen der Dopaminfunktion des Gehirns verursachen eine verminderte Sensitivität für natürliche Verstärker oder Belohnungen. Dies da Dopamin diese  Verstärker oder Belohnungen ebenso steuert und diese geringer direkt wirken. Es tritt eine Zerstörung der Wirkung natürlicher Verstärker oder Belohnungen auf frontale corticale Funktionen ein. Kontrollmechanismen und Beruhigungsmechanismen werden gestört oder zerstört. Untersuchungen mit funktionaler Bildgebung haben gezeigt, dass während einer Drogen oder Alkoholintoxikation  oder während des Craving, diese frontalen Regionen aktiviert werden. Sie sind dabei Teil eines komplexen Regelsystems eben des Hirnbelohnungssystems. Mit beteiligt sind dabei für Belohungen der Nucleus accumbens, für Motivation der orbitofrontale Cortex), für das Gedächtnis die Amygdala und der Hippocampus, und für die kognitive Kontrolle die präfrontale Hirnrinde und der Gyrus cinguli. Natürliche Verstärker sind nicht in der Lage in ähnlicher Geschwindigkeit die selben Reaktionen im Gehirn hervorzurufen, wie dies drogeninduzierte Stimuli tun. Die Schwelle ab wann ein Verhalten, eine Gewinn oder ein Erlebnis als Belohnung empfunden wird heraufgesetzt. Die hohen Grade der Stimulation sind mit Erlebnissen nicht mehr erreichbar. Gleichzeitig werden Hirngebiete, die für die kognitive Kontrolle zuständig sind herunterreguliert. Im Gedächtnis wird in der Erwartung einer Droge eine besondere Belohnung als erreichbar simuliert, es kommt bei der Suche nach der Droge zu einer Überreaktion der Belohungs- und  Motivationssysteme. Auf andere Reize reagieren diese immer weniger. In der Behandlung ist es vor allem am Anfang schwierig wieder attraktive Belohnungssystem für den Betroffenen aufzubauen.  Jugendliche mit passiver Gewalterfahrung entwickeln häufiger Abhängigkeiten. R. A. Chambers, J. R. Taylor, and M. N. Potenza Developmental Neurocircuitry of Motivation in Adolescence: A Critical Period of Addiction Vulnerability Am. J. Psychiatry, June 1, 2003; 160(6): 1041 - 1052.  [Abstract] [Full Text] [PDF] N. D. Volkow, J. S. Fowler, and G.-J. Wang The addicted human brain: insights from imaging studies J. Clin. Invest., May 15, 2003; 111(10): 1444 - 1451. [Full Text] [PDF] R. E. SEE, R. A. FUCHS, C. C. LEDFORD, and J. McLAUGHLIN Drug Addiction, Relapse, and the Amygdala Ann. N.Y. Acad. 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